Gewaltformen

IIn der täglichen Arbeit bei FOOTPRINT sind wir mit vielen verschiedenen Gewaltformen konfrontiert. Gewalt an Frauen zu definieren ist nicht einfach, da Frauen auf vielfältige Art und Weise Gewalt erleben. Die angeführten Gewaltformen dienen hier lediglich als Beispiele um verschiedenen Dimensionen von Gewalt an Frauen zu beleuchten. Eine Person kann jedoch mitunter von mehreren Gewaltformen gleichzeitig betroffen sein.

Häusliche Gewalt
Was ist häusliche Gewalt?

Häusliche Gewalt ist definiert als körperliche, psychische, sexuelle, soziale und finanzielle Gewalt, die innerhalb einer Intim- oder Familienbeziehung zwischen Erwachsenen ausgeübt wird und Kontrolle und Machtausübung zum Ziel hat. Sie kann unabhängig von Geschlecht, Ethnie, Alter, sozialem Status, Kulturkreis und Gesellschaftsschicht auf. Aufgrund patriarchaler Gesellschaftsmuster sind Frauen im besonderen Maße von häuslicher Gewalt betroffen.

Diese Form der Gewalt wird wiederholt ausgeübt und kann das Leben von Betroffenen und ihren Kindern langfristig zerstören. Oft ist sie auch lebensbedrohlich. In den meisten Misshandlungsbeziehungen wird die Gewalt von der gewaltausübenden Person systematisch eingesetzt, um das Gegenüber ständig in einer unterlegenen Position zu halten. Betroffene leiden oftmals unter Selbstzweifeln und übernehmen die Verantwortung für die erlebte Gewalt.

Häusliche Gewalt ist immer das Ergebnis einer (bewussten oder unbewussten) Entscheidung der Täter*innen, denn es bestünde immer eine Handlungsalternative (nicht zu schlagen). Sie ist ein erlerntes, beabsichtigtes Verhalten und nicht die Konsequenz aus Stress, psychopathologischen Besonderheiten, Alkohol- und Drogenkonsum oder einer “schlecht laufenden” Beziehung. Sie ist ein Mittel, um Kontrolle über die*den Partner*in zu erlangen und den eigenen Willen sowie einen Machtanspruch durchzusetzen. Häusliche Gewalt kann eine Reaktion auf eine (von Täter*innen empfundene) Gefährdung der eigenen Machtposition sein. Studien zeigen, dass Häusliche Gewalt häufig ausgelöst wird durch die Eifersucht und das Verlangen der Täter*innen, die*den Partner*in zu besitzen.

Folgen häuslicher Gewalt können neben Verletzungen auch psychosomatische, körperliche und/oder psychische Auswirkungen sein. Das Auftreten von Herz- und Kreislaufprobleme, Magengeschwüre oder ein allgemein geschwächtes Immunsystem und eine damit verbundene höhere Anfälligkeit für Krankheiten sind mögliche Folgeerscheinungen. Depressionen, Antriebslosigkeit sowie Schlafstörungen treten oftmals als psychische Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf. Die hier beispielhaft aufgezeigten Folgen können sich auch tiefgreifend auf die Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl von Betroffenen auswirken. 

Terminologie: Oft wird von ‘Opfern’ häuslicher Gewalt gesprochen. Dieser Begriff übersieht jedoch die Ressourcen und Leistungen der Betroffenen, die in häuslichen Gewaltsituationen leben und überleben. Deswegen sprechen wir von ‘Überlebende oder Betroffene Häuslicher Gewalt’.

Quellen
Autonome Österreichische Frauenhäuser. Online verfügbar unter: https://www.aoef.at/index.php/studien-zu-gewalt?start=4
Frauen gegen Gewalt. Online verfügbar unter: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/haeusliche-gewalt-was-ist-haeusliche-gewalt.html
Maschewsky-Schneider, Ulrike/ Hellbernd, Hildegard et al. (2004): Häusliche Gewalt gegen Frauen: Gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramm. Handbuch für die Praxis, Wissenschaftlicher Bericht, Berlin.
Re-empowerment! Online verfügbar unter: https://www.re-empowerment.de/gewalt/auswirkungen/folgen-haeuslicher-gewalt/
Stadt Wien. Online verfügbar unter: https://www.wien.gv.at/menschen/queer/schwerpunkte/lesbisch-gewalt.html


Fluchtspezifische Gewalt

Laut UNHCR sind weltweit 79,5 Millionen Menschen aufgrund von Konflikten, drohenden Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Etwa die Hälfte dieser Personen sind Frauen* (UNHCR 2020). Nicht nur die Motive, das eigene Land beziehungsweise den Wohnort zu verlassen sind unter Umständen von geschlechtsspezifischen Erfahrungen und Faktoren beeinflusst, sondern auch die Erlebnisse auf der Flucht und am Ankunftsort. 

Die oftmals prekären Bedingungen auf der Flucht erhöhen die Gefahr sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt – nicht nur, aber insbesondere für Mädchen* und Frauen*. Sowohl unterwegs als auch in Flüchtlingsunterkünften ist die Basisversorgung oft nicht gesichert und keine Privatsphäre gewährleistet. In Camps, die häufig überfüllt sind und eine schlechte Infrastruktur haben, werden Aktivitäten wie Wasser holen, sich umziehen oder sich waschen für Mädchen* und Frauen* unter Umständen zu gefährlichen Situationen (IASC 2015).

Geschlecht ist hier zusammen mit anderen Identitätsmerkmalen, wie zum Beispiel ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sexueller Orientierung, eine Kategorie aufgrund derer Menschen diskriminiert und dadurch in ihrer Mobilität und in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden. Vor allem auch unbegleitete Minderjährige sind einem hohen Risiko von Ausbeutung ausgesetzt, wenn sie nicht offiziell registriert werden. Finanzielle Schwierigkeiten und eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten erhöhen zusätzlich die Gefahr für sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel auf der Flucht. 

Quellen
Inter-Agency Standing Committee (IASC). 2015. Guidelines for Integrating Gender-Based Violence Interventions in Humanitarian Action: Reducing risk, promoting resilience and aiding recovery. Online verfügbar unter: https://gbvguidelines.org/wp/wp-content/uploads/2015/09/2015-IASC-Gender-based-Violence-Guidelines_lo-res.pdf
UNHCR 2020. Online verfügbar unter: https://www.unhcr.org/figures-at-a-glance.html


Weibliche Genitalverstümmelung – FGM (Female Genital Mutilation)

Weibliche Genitalverstümmelung bezeichnet die Beschneidung, Verletzung oder Entfernung der weiblichen Geschlechtsorgane oder Teilen davon ohne medizinischer Begründung (WHO 2020).

Derartige Eingriffe haben nicht nur keinen medizinischen Vorteil für Mädchen* und Frauen*, sondern führen im Gegenteil häufig zu Blutungen, Infektionen und langfristigen physischen und psychischen Schäden. Schätzungen zufolge sind etwa 200 Millionen Mädchen* und Frauen* von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen (UNFPA 2020). Die Praktiken sind in Regionen in West-, Ost- und Nordost Afrika sowie in Gebieten im Nahen Osten und Asien besonders verbreitet, werden aber auch innerhalb migrantischer Gemeinschaften weltweit praktiziert.

Begründungen für weibliche Genitalverstümmelung beziehen sich vor allem auf soziale Konventionen und Normvorstellungen zu Weiblichkeit und Sexualität und sind, entgegen häufiger Annahmen, nicht religiös legitimiert. Obwohl sich Personen, die derartige Eingriffe durchführen, mitunter auf religiöse Gründe beziehen, gibt es keine Religion, die Weibliche Genitalverstümmelung vorschreibt (WHO 2020). 

Weibliche Genitalverstümmelung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und spiegelt geschlechtsspezifische Ungleichheiten wieder. Die Praxis wird meist an minderjährigen Mädchen* durchgeführt und ist demnach auch eine Verletzung der Kinderrechte.

Quellen
WHO 2020. Online verfügbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/female-genital-mutilation 
UNFPA 2020.Female genital mutilation (FGM) frequently asked questions. Online verfügbar unter: https://www.unfpa.org/resources/female-genital-mutilation-fgm-frequently-asked-questions#women_affected